Auch für die Bergwacht im Landkreis Göppingen war das Corona-Jahr 2020 ein besonderes: Wenn das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt ist und das Reisen kaum möglich, zieht es die Menschen in die Natur. Bereits vor Ostern wandte sich der Pressesprecher des Landesverbands, Raimund Wimmer aus Heiningen, an die Öffentlichkeit und bat darum, sich nicht unnötig in Gefahr zu bringen: „Bitte unternehmen sie an den Feiertagen keine Bergtouren, Wanderungen in den Mittelgebirgen, Kletterausflüge an Felsen und extreme Mountainbike-Touren.“ Die Krankenhäuser seien ohnehin am Limit und die ehrenamtlichen Bergretter würden durch eine steigende Zahl von Einsätzen zusätzlichen Ansteckungsrisiken ausgesetzt.
Unterm Strich war es ein arbeitsreiches Jahr für die Helfer. „Es ist mehr passiert als in den vorherigen Jahren“, sagt Niko Schneider, Leiter der Bergwacht Geislingen-Wiesensteig. Für ihn kein Wunder: „Draußen ist auch mehr los als sonst.“ Er betont aber: Statistisch gesehen gebe es immer wieder Jahre mit überdurchschnittlich vielen Einsätzen. Das bestätigt auch sein Kollege Dominik Abele von der Bergwacht Göppingen: „Wir dachten beim ersten Lockdown im April, weil wir da relativ viele Einsätze hatten, dass es an Corona liegt. Im Jahresschnitt war es jetzt zwar etwas mehr, aber das gibt es immer mal wieder.“ Insgesamt wurden die Bergretter laut Schneider bislang mehr als 40 Mal alarmiert, der Alarm geht immer gleichzeitig an beide Bergwachten im Landkreis.
Auffällig oft waren in diesem Jahr Gleitschirmflieger in Not. „Es sind wohl sechs Stück gewesen“, erinnert sich Schneider. Im Gegensatz dazu gebe es Jahre, in denen keinem einzigen Paraglider etwas zustoße. Zum Glück liefen die sechs Unfälle glimpflich ab, sagt Schneider, alle Piloten blieben unverletzt. „Es waren meistens Sachbergungen, wo nur der Schirm geborgen wird. Der Pilot hängt dann in seinem Gurtzeug im Baum und wir müssen ihn abseilen.“ Allein Ende Juni, Anfang Juli mussten die Retter binnen einer Woche zwei abgestürzte Piloten an der Neidlinger Startrampe retten.
Schwerpunkt der Einsätze sind laut Abele „der Albtrauf und die Berghänge davor, auch der Hohenstaufen und Waldgebiete“. Sind die Menschen in der Natur heute leichtsinniger als früher? Das möchte Abele so zwar nicht bestätigen, er glaubt aber: „Sie fühlen sich vielleicht abgesicherter als früher.“ Das liege auch an der besseren Qualität der modernen Ausrüstung. Ein positives Fazit kann Niko Schneider auf jeden Fall ziehen: „Es gab keine tödlichen Unfälle dieses Jahr.“ Allerdings musste eine im unwegsamen Gelände an einem Herzinfarkt gestorbene Person geborgen werden.
Trotz des Booms der E-Bikes sieht die Bergwacht hier keine größeren Probleme, berichtet Schneider. Lediglich einen Einsatz gab es in diesem Jahr, als eine ältere Frau mit ihrem Elektro-Fahrrad auf einem Feldweg stürzte. Ohnehin sorgten Radfahrer für wenig Einsätze: Ein junger Mountainbiker verunglückte auf einem illegalen Trail bei Kuchen, ein weiterer Radler rutschte beim Schieben seines Gefährts aus und erlitt einen Sehnenabriss im Oberschenkel.
Dann gibt es noch die Wanderer. „Das sind dann meistens Sprunggelenksverletzungen, wo sich jemand den Fuß umknickt oder Frakturen“, erzählt Schneider. „Es ist schon ein breites Spektrum, das wir abdecken. Aber man ist froh, wenn man helfen kann.“
Dominik Abele glaubt aber, dass seiner rund 30-köpfigen Göppinger Truppe die meiste Arbeit jetzt noch bevorsteht: „Wenn der Schnee kommt, wird’s sicher wieder mehr.“
Bergwacht ist im Kreis zwei Mal vertreten
Die Bergwacht Göppingen (gegründet 1938) ist eine Bereitschaft im DRK-Kreisverband Göppingen und in der DRK-Bergwacht Württemberg. Sie hat rund 100 Mitglieder, von denen rund 30 im aktiven Bergwachtdienst sind.
Im Jahr 1952 wurde die Bergwacht Geislingen gegründet. Schon bald nahm die Anzahl der Wiesensteiger in der Gruppe zu. Deshalb wurde der Name 1971 erweitert, seither heißt sie Bergwacht Geislingen-Wiesensteig, derzeit hat sie 28 Aktive.