Hedwig Matusczak war stolz, zum Roten Kreuz zu gehören. Ein Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1955 zeigt sie voller Stolz neben einem Mercedes 170 D, der damals einer der beiden Geislinger Krankenwagen war. „Mein Krankenauto“ hatte Hedwig Matusczak neben das Bild in ihr Fotoalbum geschrieben. Denn die Geislingerin war im Krankentransport tätig – eine Aufgabe, die für Frauen jener Zeit unüblich war.
„Das war damals noch körperliche Schwerarbeit – nicht nur der Transport der Patienten, sondern auch das Fahren selbst, ohne Servolenkung und ohne vollsynchronisierte Gangschaltung“, macht Jens Currle, Leiter des Rotkreuz-Landesmuseums Baden-Württemberg in Geislingen deutlich.
Persönliche Geschichten wie diese stehen im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung im Landesmuseum, die am Samstag, 7. März, um 14 Uhr offiziell eröffnet wird. Sie kann bis November besichtigt werden. Betitelt ist die Sonderausstellung mit „150 Jahre Rotes Kreuz in Geislingen“. Spezifische Geislinger Exponate aus dieser Zeitspanne bieten einen Rückblick auf die Geschichte des Geislinger Roten Kreuzes, lassen Erinnerungen hochkommen und Veränderungen sichtbar werden.
Es war der 28. Juli 1870, als in Geislingen ein Sanitätsverein gegründet wurde. Er sollte die Soldaten – damals im deutsch-französischen Krieg – und ihre Familien unterstützen. Die Geislinger Sanitätskolonne (Nummer zehn in Württemberg) wurde 1888 ins Leben gerufen. Immer waren motivierte Personen aus Geislingen und den Nachbargemeinden – wie Hedwig Matusczak – bereit, sich für Kranke und Verletzte einzusetzen und die Grundsätze des DRK zu erfüllen.
Einer der Hingucker bei der Sonderausstellung könnte die 120 Jahre alte Geislinger Krankentrage werden, die in (LED)-Licht gerückt wird. Vielleicht auch eine Fahne aus den 1950er oder -60er Jahren, die auch auf vielen alten Fotos zu sehen ist. Außerdem gibt es einige Relikte aus dem Kolonnenhaus in der Hohenstaufenstraße, wo das Geislinger Rote Kreuz bis Mitte der 1980er-Jahre seine Heimat hatte. Ein solches Relikt ist eine laut Jens Currle „locker 15 Kilogramm“ schwere Tür, die wegen ihres Holzrahmens aussieht wie ein Bild. Innerhalb des Rahmens steht wie in Stein gemeißelt der Henry Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes, zugeschriebene Spruch: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“. Nur wer genau hinblickt, erkennt im „Bild“ ein Schlüsselloch. „Die Tür hing im großen Saal des Kolonnenhauses“, erläutert Currle. Wer sie öffnete, hatte Zugriff auf die Elektrik, mit der das Rote Kreuz-Symbol außen am Kolonnenhaus beleuchtet wurde und konnte auf diese Weise eventuelle Reparaturen problemlos durchführen. Integriert in die Ausstellung sind Erinnerungen an die Gründung der Geislinger Schnelleinsatzgruppe (SEG) im Jahr 1990. „Es war die erste SEG im Landkreis und eine der ersten in Baden-Württemberg“, berichtet Jens Currle. Grund für die SEG-Gründung war die Flugschau-Katastrophe in Ramstein zwei Jahre zuvor. „Die SEG schloss die damals klaffende Lücke zwischen Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz“, sagt Currle. Ausrüstungsgegenstände aus alten SEG-Kisten, Einsatzkleidung und Fotos von spektakulären Einsätzen bieten ein anschauliches Bild aus drei Jahrzehnten SEG.
So spät wie in diesem Jahr waren Jens Currle und seine Mitstreiter Christian Striso, Antonino Amato und Thomas Kehrer noch nie dran mit dem Aufbau der Sonderausstellung, bekennt Currle lachend. Grund ist der stramme Veranstaltungs-Kalender, mit denen das 150-Jahr-Jubiläum gefeiert wird.
Dazu gehören ein Vortrag zur Entwicklung der Rotkreuz-Bewegung sowie ein Benefiz-Konzert der Bundeswehr-Bigband im Mai, eine Jubiläums-Blutspende mit Überraschungen im Juni oder ein Festakt mit geladenen Gästen im Juli.