Kreis Göppingen - Menschen sterben früher, weil sie in Verhältnissen leben, die nicht gesundheitsförderlich sind, weil sich ärztliche Behandlungen nicht leisten können. Und Menschen werden arm, weil sie krank, nicht mehr arbeitsfähig sind. „Jeder Fünfte ist von Armut betroffen“, begrüßte Jürgen Hamann von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) die Gäste des Fachtags der Liga der freien Wohlfahrtspflege, zu der sich Awo, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz (DRK) und „Der Paritätische“ zusammengeschlossen haben. Peter Hofelich, Präsident des DRK und Gastgeber in der DRK-Kreisgeschäftsstelle, stellte fest: „Das Thema wird bis heute nicht genügend in der Öffentlichkeit diskutiert“. Rudolph Dangelmayr, der Leiter des Kreissozialamtes, erhoffte sich „wichtige Impulse für unsere Arbeit“.
„Es geht nicht um Minderheiten“, betonte Professor Dr. Gerhard Trabert von der Hochschule Rhein-Main Wiesbaden, der aus seiner Praxis berichtete, den Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit herstellte und Mitarbeiter von sozialen Einrichtungen und Beratungsdiensten ermunterte, „sich vom System nicht einschüchtern zu lassen“. Der Mediziner geht in Mainz andere Wege, fährt mit seinem Arztmobil dorthin, wo die Menschen leben, die von Armut und Krankheit betroffen sind und hat eine Ambulanz aufgebaut, in der Ärzte und Sozialarbeiter diejenigen versorgen, die keine Krankenversicherung mehr haben.
Wer glaubt, zu denen wird er nie gehören, könnte sich irren. Wer sich die Beiträge zu seiner privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten kann, könnte schnell Betroffener sein. Denn: „Das soziale Netz wird immer engmaschiger“. Dass dies in einem der reichsten Länder der Erde geschieht, „verstehe ich nicht“, bekräftigte Trabert leidenschaftlich. „Wir haben genügend Geld, es ist nur nicht gerecht verteilt“. Er forderte die Politiker auf, Möglichkeiten zur Rückkehr in das System der Krankenversicherung zu schaffen. „Menschen haben ein Recht auf Versorgung. Hier werden Menschenrechte verletzt. Deshalb müssen wir beharrlich bleiben“.
Die Organisationen vor Ort ermunterte er, sich noch besser zu vernetzen, mit den Behörden gemeinsam auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. „Beim Wohl der Menschen gibt es keine Neutralität“. Behördenmitarbeiter forderte er auf, „Kann- und Soll-Bestimmungen im Sinne der Menschen auszulegen“. Wichtiger Aspekt sei zudem die aufsuchende Hilfe, etwa „eine Gesundheitssprechstunde im Jobcenter oder auch ein Schuldnerberater“. Denn: „Hingehen in die Lebenswelt ist ein Akt der Wertschätzung“.