Sie ist die erste weibliche türkische Standup-Comedian Deutschlands, sie ist frech, respektlos, humorvoll, südländisch-lebenslustig. Und nicht zuletzt: Senay Duzcu beobachtet ihre Mitmenschen ganz genau, bringt Eigenheiten auf den Punkt. Aufgewachsen in einer traditionellen türkischen Familie in Deutschland weiß sie die Unterschiede zwischen Deutschen und Südeuropäern, insbesondere zu ihren türkischen Landsleuten, genau zu benennen und macht dies auf höchst unterhaltende Weise.
Im Rahmen der diesjährigen Göppinger Interkulturellen Wochen gastierte sie auf Einladung der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer des Deutschen Roten Kreuzes (ZEBRA), des Bündnisses für Integration und dem Migrantinnenverein im Göppinger Zimmertheater. ZEBRA beteiligt sich in jedem Jahr mit einem kulturellen Programmpunkt an der Veranstaltungsreihe. „Wir haben mit Senay Duzcu eine Perle gefischt“, versprach Christian Stock von ZEBRA und hatte damit nicht zu viele Erwartungen geweckt. Denn die zahlreichen Zuschauer erlebten eine quirlige Darstellerin, die ihre Texte regelrecht performte. Gekonnt spielte sie dabei mit der deutschen Sprache und wunderte sich über Unlogisches wie die „herrenlose Damenhandtasche“ oder das ewig Negative wie die Warnung „Freu dich nicht zu früh!“ oder dem „Hals- und Beinbruch“. Sie räumte ein: „Wir alle haben Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten“ – und dies, obwohl sie sich manchmal gar nicht so sehr unterscheiden. Bayern und Saudi-Arabien etwa haben viel gemeinsam: „Beide sind wohlhabend, aber immer noch Bauern.“ Überhaupt, die Bayern. „So viele Kirchen dort – das müssen ganz schöne Sünder sein“, ist die launige Schlussfolgerung der Duisburgerin. Und dann sind da noch die Sachsen. „Wie kann man Angst haben vor jemandem, der so spricht? Die sind doch eher zum Knuddeln“, stellte sie respektlos fest.
Senay Duzcu bewies auch beim Blick auf Alltagssituationen den scharfen Blick. Etwa, wenn sie Verkaufspersonal beschrieb. „Wie kann man im Dienstleistungsbereich arbeiten, wenn man Menschen hasst?“ Vor nichts zeigte sie Respekt – nicht vor Burkas – „riesigen Tischdecken mit Vorhängen“ – und nicht vor der Bundeskanzlerin, die sie im sehr gemäßigten Temperament über die Bühne tanzen ließ. Bei allen kulturellen Unterschieden - manches ist überall gleich. Die Jugendsprache etwa oder die modernen Kommunikationsformen. Oder das Abnehmen. „Wenn ich an Diät denke, denke ich an Essen.“ Begeisterten Beifall erhielt sie, als sie – ohne die Miene zu verziehen – im orientalischen Rhythmus das Lied „Oh Tannenbaum“ sang, das sie in der katholischen Grundschule lernte. „Ich dachte, dort gibt es nur Mathelehrer, weil alle ein Plus um den Hals hatten“, räumte sie unter großem Gelächter ein. Immer wieder bezog sie ihr begeistertes Publikum mit ein, ließ es am Ende einen ziemlich schrägen Song auf „ADHS“ performen und kam zum Schluss, dass ganz Südeuropa Ritalin bekommen müsste, wenn die Maßstäbe angesetzt würden, die offensichtlich das Maß der Dinge an deutschen Schulen sind. Apropos südliches Temperament: Tatsächlich scheint es ein Wunder zu sein, dass in Deutschland überhaupt noch geheiratet wird. Viel mehr Heiterkeit bekäme die Zeremonie sicher vor einem italienischen Standesbeamten. Ob der freilich die Langatmigkeit von Filmen „Made in Bollywood“ besser aushalten würde als Senay Duzcu – nach ihrer Kurzperformance dieser abendfüllenden Produktionen schien dies eher fraglich. Einmal mehr zeigte die Künstlerin hier ihre Respektlosigkeit und bewies damit, dass die politische Diskussion im inter- und multikulturellen Dialog durchaus humorvoll geführt werden kann.