· NWZ 2020

Heldin mit Nadel im Arm

Der Stich in der Armbeuge tut nicht weh und ein Mensch in Not erhält dafür eine Lebenschance. Unsere Autorin spendete zum ersten Mal in ihrem Leben Blut – in der Gemeinschaftsschule Bad Boll. Melike Acar erklärte ihr, wie das abläuft.

Blut spenden in Corona-Zeiten? Geht gut. Dank Terminvergabe gewährleisten die DRK-Mitarbeiter einen reibungslosen Ablauf. Ein Selbstversuch.

Melike Acar sticht die lange Nadel routiniert in meine Armbeuge. Kein Schmerz, nur ein kurzes Ziehen. Mit ruhiger Stimme erklärt die Medizinische Fachangestellte, was sie gerade macht. Zwei Röhrchen voller Blut kommen ins Labor, danach erst beginnt die eigentliche Abnahme. „Es macht mich glücklich, denen zu helfen, die helfen“, erzählt die 23-Jährige. Als hauptamtliche DRK-Mitarbeiterin beim Blutspendedienst Ulm betreut sie jeden Tag in einer anderen Stadt Freiwillige.

„Sie sind die Heldin des Tages.“ Dr. Ingolf Türck aus Stuttgart sitzt mir an einem runden Tisch in der Boller Gemeinschaftsschule gegenüber und spricht durch eine Maske. Seinen Mund sehe ich nicht, aber seine Augen lächeln. Heute spende ich zum ersten Mal Blut. Warum? Ich möchte anderen Menschen die Chance aufs Überleben ermöglichen.

Zwei Wochen vorher: Online reserviere ich einen Termin auf der DRK-Homepage. In Zeiten von Corona geht nichts ohne Vor­anmeldung. Ein großer Vorteil, denn so werden Stoßzeiten, in denen viele auf eine freie Liege warten, vermieden.

Ich schließe die Finger zur Faust und lasse wieder locker. So läuft das Blut besser in den Beutel. Dieser bewegt sich auf einer Waage hin und her, damit die Flüssigkeit in Bewegung bleibt. Kein Schwindel, mir wird nicht schwarz vor Augen. Auf der Liege neben mir ebenfalls eine Erstspenderin, ein paar Jahre älter als ich. Wir kommen ins Gespräch. „Ich wollte hingehen, bevor ich nicht mehr als Erstspenderin aufgenommen werde“, erzählt sie. Beim ersten Mal darf man nicht älter als 64 Jahre sein.

Der Ablauf der Spende ist in Zeiten von Corona klar geregelt: Bei 28 Grad warte ich draußen vor der Tür. Plötzlich mischt sich das laute Prasseln des Regens auf dem Asphalt mit Donnergrollen. 15 Personen stehen vor mir an. Bevor der junge Mann mit Gesichtsvisier ihre Namen abfragt, müssen sie kurz warten. Im Inneren der Schule darf es sich nicht stauen. Drinnen angekommen habe ich nasse Schuhe, Socken und Füße. Von nassen Haaren und Kleidern ganz zu schweigen. Ich desinfiziere mir die Hände, dann reicht mir ein großer DRK-Mitarbeiter mit einer Pinzette die medizinische Mund-Nasen-Bedeckung über den Tisch. Meine eigene gelbe Stoffmaske verschwindet im Rucksack. Fiebermessen an der Stirn – die Temperatur passt.

Zahlreiche Fragen beantworte ich und nach der Registrierung geht’s zur ersten Untersuchung. Auch hier spricht nichts gegen meine Spende. Dr. Türck spricht mit mir den Anamnesebogen durch und erklärt, was gleich passieren wird. Er und seine Frau arbeiten ehrenamtlich für den Blutspendedienst des Roten Kreuzes. „Damit fülle ich das Vakuum des Ruhestands“, erzählt der Facharzt für Innere Medizin. Dr. Türck gibt mir wie die vielen anderen DRK-Mitglieder das Gefühl, in der Gemeinschaft gut aufgehoben zu sein. Meine Zweifel, ob mein Kreislauf an diesem heißen Sommertag mitmacht, lösen sich auf. Von der Spende ausgeschlossen werden an diesem Tag 15 Personen. Aus verschiedenen Gründen. Bei einer Frau zeigte das Fieberthermometer eine zu hohe Temperatur, die andere hatte sich kurz zuvor für einen halben Tag in Österreich aufgehalten.

Sechs Minuten vergehen – unzählige Male Faust öffnen, Faust schließen, Faust öffnen, Faust schließen – dann füllt der halbe Liter Blut den durchsichtigen Plastikbeutel auf der Waage. Melike Acar entfernt die Nadel aus meinem Arm, legt mir einen Mullverband an, fragt, ob ich mich wohl fühle. Ich bleibe für einige Minuten sitzen.

193 Spender geben an diesem Tag Blut ab, darunter 21 zum ersten Mal. „Das ist schon klasse“, sagt Bettina Steinbacher, stellvertretende Bereitschaftsleiterin des DRK-Verbands Hattenhofen-Voralb. Die hohe Zahl der Erstspender sei beachtlich. Sie organisiert die Aktion mit sieben Helfern.

Der Bedarf an Konserven steigt derzeit wieder. Nach Lockerung der Schutzregelungen können die Ärzte in den Kliniken auch weniger dringende Operationen erledigen. Etwa 112 Millionen Blutbeutel werden weltweit pro Jahr benötigt und mit einer Spende kann bis zu drei Schwerkranken oder Verletzen geholfen werden. Das Rote Kreuz stellt jährlich etwa drei Millionen Beutel bereit und übernimmt zirka 75 Prozent der Versorgung in der Bundesrepublik.

Zum Abschluss erhalten die Spender ein Imbiss-Paket. Brötchen mit Wurst? Nein, danke. Lieber mit Käse belegt. Spezi, Wasser oder Apfelschorle? „Wasser habe ich genug zu Hause“, sage ich zum Helfer. Er grinst. Ich entscheide mich heute ausnahmsweise mal für Spezi. Mit dem Stoffbeutel, in dem sich außerdem Nüsse, ein Schokoriegel sowie ein Apfel befinden, verlasse ich die Schulaula. Als Heldin.

Die nächsten Termine im Überblick

Die nächsten Möglichkeiten zur Blutspende:

  • Mittwoch, 15. Juli, von 14.30 bis 19.30 Uhr in der Kaiserberghalle Wißgoldingen.
  • Freitag, 24. Juli, von 14.30 bis 19.30 Uhr im Credo in Ebersbach.
  • Montag, 27. Juli, von 15.30 bis 19.30 Uhr in der Stadthalle Göppingen.
  • Mittwoch, 29. Juli, von 14.30 bis 19.30 Uhr in der Roggentalhalle Treffel­hausen.
  • Freitag, 31. Juli, von 14.30 bis 19.30 Uhr in der Technotherm-Halle in Eschenbach.

Zu allen Aktionen ist eine Terminresevierung auf www.drk-blutspende.de zwingend erforderlich. In Zeiten der Corona-Pandemie dürfen keine Begleitpersonen und keine Kinder zum Termin mitgebracht werden.